Veröffentlicht: 6. April 2024
von: Nadine Sauerzapfe
Beweidung mit Schafen, Ziegen und Rindern
Um die Wertschöpfung in Streuobstsystemen zu verbessern, gibt es verschiedene zusätzliche Nutzungsformen mit denen man den Streuobstanbau kombinieren kann. Im letzten Newsletter haben wir uns mit der Haltung von Hühnern und Bienen auf der Streuobstwiese beschäftigt (HIER findet ihr den Artikel). Heute schauen wir uns an, wie die Beweidung von Schafen, Rindern und Ziegen einen Mehrwert schaffen kann.
Ein essentieller Teil der Pflege einer Streuobstwiese ist die Mahd, um eine Verbuschung durch Gehölze und Gräser zu vermeiden und die Bäume gesund und zugänglich zu halten.
Die Mahd einer Streuobstwiese ist aufwändig, da sie meist ohne zu Hilfenahme von großem Mähwerkzeug erfolgen muss und sollte, um auch Kleinstlebewesen und Insekten zu schützen. Das Mähgut sollte im Anschluss entsorgt werden, um ein überhöhtes Nährstoffangebot auf der Streuobstwiese zu vermeiden. (Dies wird von Naturschutzbehörden so gefordert, da nährstoffarme Wiesen selten und für den Artenreichtum wichtig sind. Die Bäume hingegen brauchen die Nährstoffe dringend, vor allem in Brandenburg macht der Nährstoffentzug unserer Ansicht nach wenig Sinn.) Ein Aufwand, der nicht zu unterschätzen ist und in der Regel 2 Mal jährlich anfällt.
Sehr viel leichter und zeitsparend ist es daher, die Mahd "outzusourcen" und sie von Schafen, Ziegen oder Rindern erledigen zu lassen. „Um das Grünland einerseits naturschonend, andererseits wirtschaftlich sinnvoll zu nutzen, stellt die Beweidung eine ernst zu nehmende Alternative zur Mahd dar.“ (Bauschmann, 2010)
Beweidung mit Schafen
Schafe zählen zu den ältesten Haustieren und wurden vermutlich vor rund 10.000 Jahren im Nahen Osten aus dem Wildschaf (Ovis orientalis) domestiziert (Tautenhahn, 2018). Schafe fressen das Gras und halten die Wiese sauber, das erspart die Mahd. Die schmale Kopfform und die spezielle Anatomie des Mauls mit seiner gespaltenen Oberlippe ermöglichen dem Schaf eine viel selektivere Fressweise als Rindern oder Pferden und ein besonders tiefes Verbeißen der Weidepflanzen (Porzig, 1969). Zusätzlich suchen Schafe den Schatten unter den Bäumen und sorgen somit dafür, dass die Baumscheiben frei bleiben. Ein weiterer Vorteil ist der Tritt der Schafe. Sie verdichten den Boden bis zu 4cm, treten die Wurzeln der Gräser fest und beugen massivem Mäuse-/Wühlmäusebefall vor. Schafe betitelt man auch gerne als „Samentaxi“, da die Pflanzensamen an der Wolle der Schafe haften, bis sie andernorts wieder abfallen. Auch damit helfen die Schafe den Pflanzen bei ihrer Ausbreitung. Da Schafe auch gern bereits heruntergefallene Früchte fressen, bleibt wenig faules Obst liegen, welches unter Umständen von Schädlingslarven z.B. des Apfelwicklers befallen sein kann. Der Naturdünger, der Kot der bewollten Rasenmäher, gibt der Wiese und den Bäumen Nährstoffe und lockt viele Käfer, Würmer und Insekten an, die den Kot zersetzen und ihn wieder zu Erde werden lassen.
Die Standzeiten der Tiere sind jedoch zu begrenzen, um eine zu starke Verdichtung des Bodens und einen übermäßigen Nährstoffeintrag durch die Ausscheidungen der Tiere zu vermeiden. Außerdem weiden die Tiere konzentriert und selektieren wenig, wenn sie z.B. mit Hilfe flexibler Koppeln regelmäßig auf neue Flächen umgezogen werden. Dann ähnelt die Beweidung einer Mahd, da die Tiere auch für sie weniger schmackhafte Pflanzen fressen (Tautenhahn, 2018).
Generell gilt bei der Beweidung einer Streuobstwiese mit Tieren, die Bäume, insbesondere die jungen Bäume, ausreichend zu schützen. Bei Jungbäumen müssen die Pfosten der Umzäunung fest in die Erde geschlagen werden, denn Schafe schubbern sich gerne an Pfosten und Stämmen. Ohne Verbißschutz werden die Rinden schnell als Delikatesse entdeckt und von den Schafen abgeschält, was zu nachhaltigen Schäden an den Bäumen führt. Der Verbißschutz sollte am Baum in einer Höhe von ca. 20-30cm über dem Boden angebracht werden, um es den Tieren zu ermöglichen den Boden bis ganz an den Stamm heran zu vertreten (Stichwort: Wühlmausschutz) und andererseits um die Bodenbearbeitung im Rahmen der Jungbaumpflege zu erleichtern. Damit sich die Tiere bei Regen oder Hitze zurückziehen können, empfiehlt sich ein Unterstand. Dieser sollte mobil sein, damit er mit den Schafen auf neue Flächen umgezogen werden kann. Da der Kosten- und Pflegeaufwand für eine eigene Herde nicht zu unterschätzen ist und sich auch erst ab einer gewissen Flächengröße lohnt, bieten Schäfereien die Dienste ihrer Tiere an. Jedoch gilt zu bedenken, dass dadurch natürlich auch Kosten anfallen. Die 5ha große BUND Streuobstwiese in Stahnsdorf beispielsweise wird seit 2013 regelmäßig von der Schäferin Sigi Heilmann mit ihren Tieren beweidet. Auf ihrer Webseite schreibt sie dazu: „Durch gezieltes Umkoppeln, Anpassen der Anzahl der Schafe pro ha an die jeweilige Fläche, Häufigkeit der Beweidung und genaues Beobachten des Aufwuchses, versuche ich, dazu beizutragen, die Vielfalt der Flora und Fauna in diesem Biotop zu steigern.” (Heilmann, 2024)
Ein positives Zeichen für die Schafhaltung setzt das Bundesumweltministerium aktuell mit dem Projekt „Weidewonne“. Damit unterstützt das Ministerium gezielt den Erhalt von Schäfereibetrieben für die Landschaftspflege in Thüringen. Die Bundesumweltministerin Steffi Lemke erläutert: "Artenreiche Grünlandflächen sind Hotspots der biologischen Vielfalt. Ohne die Pflege durch Weidetiere können sie jedoch ihren biologischen Wert verlieren. Deshalb unterstützen wir mit "Weidewonne" diese Lebensräume durch Schafbeweidung gezielt. Hier finden seltene und vom Aussterben bedrohte Arten einen Lebensraum. "Das Projekt liefert zudem wichtige Impulse, um den Rückgang der Schäfereibetriebe aufzuhalten und besonders wertvolle Lebensräume dauerhaft zu erhalten.” (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, 2022). Eine schrittweise Ausweitung des Programms auf das gesamte Bundesgebiet ist in Planung.
Beweidung mit Ziegen
Eine Beweidung mit Ziegen sollte nur unter strenger Aufsicht erfolgen, da sie sehr neugierig und scharf auf Gehölze sind. Ihr Einsatz erfordert massiven Baumschutz. Indem sie sich auf ihre Hinterbeine stellen, können sie Gehölze in bis zu 2m Höhe noch erreichen. Ideal hingegen sind Ziegen für die Pflege verbuschter Flächen, da sie durch ihren Verbiß stockausschlagende Gehölze besonders effektiv zurückdrängen (Lenhart, 2024). Auch schwer zugängliche Hanglagen erreichen Ziegen meist mühelos. Haben Ziegen freie Auswahl, dann besteht bis zu 60 Prozent ihrer täglichen Ration aus Blättern und Zweigen von verholzenden Pflanzen. Gras fressen sie, anders als Schafe, nicht bis zum Boden ab. Eine Kombination von Ziegen und Schafen auf einer Fläche kann sinnvoll sein, je höher der Anteil an offenem Grasland ist. Beide Tierarten beweiden mehr die Gräser und die krautige Vegetation, während die Ziegen das Gebüsch bevorzugen (Landwirtschaft, 2022).
Beweidung mit Rindern
Rinder verursachen kaum Schäden an älteren Obstbäumen, die bereits eine raue Borke ausgebildet haben, besitzen aber die Kraft, z.B. beim Schubbern am Stamm Jungbäume umzuwerfen. Auch Schäden durch Verbiss sind an Obstbäumen kaum festzustellen. Rinder verdichten zudem durch ihr Gewicht den Boden der Streuobstwiesen bis ca. 15cm Tiefe (Schafe im Vergleich nur ca. 4cm). Leichte Extensivrassen sind gegenüber den schweren und anspruchsvollen Intensivrassen zu bevorzugen. Rinder sind allerdings nur für die Beweidung von produktiveren Standorten geeignet (Thüringer Ministerium für Umwelt, 2022). Man sollte Rinder, ähnlich wie Schafe, auf einer Umtriebsweide mit möglichst kurzen Auftriebszeiten auf den Teilflächen halten (Gerd Bauschmann, 2021).
Fazit
Generell eignen sich Schafe und auch Rinder für die Beweidung von Streuobstwiesen. Ziegen sollten hingegen nur gezielt auf stark verbuschten Flächen eingesetzt werden. Unter Umständen kann es notwendig sein, zusätzlich zu mähen, wenn die eingesetzten Tiere zu selektiv fressen. Auf einen Baumschutz ist bei der Beweidung grundsätzlich immer zu achten. Bei Rindern muss er deutlich robuster und stabiler als bei Schafen sein. Die Tiere düngen mit ihrem Kot die Wiese, wovon vor allem die Bäume profitieren. Eine nichtgedüngte Wiese magert über die Jahre aus, was schlecht für den Ertrag ist. Außerdem verdichten die Tiere den Boden, was den Wühlmäusen gar nicht gefällt, die bevorzugt die zarten Wurzeln fressen. Und Schädlinge wie der Apfelwickler haben auf einer regelmäßig beweideten Fläche ebenfalls keine Chance. Eine Unternutzung mit Schafen, Rindern und Ziegen kann helfen, den Fruchtertrag deutlich zu steigern und den Schädlingsdruck zu verringern. Wenn zusätzlich noch tierische Produkte wie Wolle, Milch und Fleisch regional vermarktet werden, kann die tierische Unternutzung eine wirtschaftlich sinnvolle Ergänzung bei der Bewirtschaftung einer Streuobstwiese sein.
Ihr habt Erfahrungen gesammelt mit der Haltung von Ziegen, Schafen oder Rindern auf der Streuobstwiese und habt Ideen oder Anmerkungen die ihr gern mit uns teilen wollt? Dann schreibt uns eine E-Mail an nadine@aepfelundkonsorten.org. Wir freuen uns auf euer Feedback!
In den kommenden Newsletter-Ausgaben erwarten euch zu diesem Thema noch:
- Anbau von Fruchtgehölzen
- Pilzanbau und Pilzgehölze
Quellen
Bauschmann, G. (2010). Pomologenverein e.V. Jahresheft 2010, 39.
Streuobstwiesen, A. (14. Oktober 2020). BUND Schleswig-Holstein.
Schafe und Obstbäume - die perfekte Symbiose:
https://www.bund-sh.de/meldungen/detail/news/schafe-obstbaeume-die-perfekte-symbiose/
Tautenhahn, D. A. (2018). Bayrische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege.
Von Beweidung mit Schafen:
https://www.anl.bayern.de/fachinformationen/beweidung/7_5_schafbeweidung.htm
Porzig, E. (1969). Nahrungsaufnahmeverhalten landwirtschaftlicher Nutztiere. Berlin: Deutscher Landwirtschaftsverlag.
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. (13. April 2022). Von Naturschutz durch Schafbeweidung: https://www.bmuv.de/pressemitteilung/naturschutz-durch-schafbeweidung
Heilmann, S. (12. März 2024). Mein Herz schlägt für bunte Skudden. Von Die BUND Streuobstwiese Stahnsdorf:
https://www.sigis-schafe.de/streuobstwiese/
Lenhart, D. T. (12. März 2024). Streuobstziege. Von Beweidung:
http://www.streuobstziege.de/streuobstwiesen/beweidung/
Landwirtschaft, B. (11. November 2022). Bundesinformationszentrum Landwirtschaft. Von Beweidung durch Ziegen:
https://www.nutztierhaltung.de/ziege/management/beweidung-durch-ziegen/
Thüringer Ministerium für Umwelt, E. u. (November 2022). Handlungskonzept Streuobst Thüringen.
https://umwelt.thueringen.de/fileadmin/Publikationen/Publikationen_TMUEN/Streuobst_Final.pdf
Gerd Bauschmann, u. M. (2021). Beweidung von Streuobstgebieten . Wetzlar: Weidewelt e.V. – Verein für naturschutzkonforme Landnutzung durch Beweidung Jahnstraße 17 D-35580 Wetzlar www.weidewelt.de.
Fischer, A. (30. September 2022). Echo Online. Von Schafe und Streuobstwiese - eine sehr gute Kombination:
https://spezial.echo-online.de/odenwaelder-kartoffelsupp-9-2022/leben-und-geniessen/schafe-und-streuobstwiese-eine-sehr-gute-kombination-194175